Wer im Medium und mit den Mitteln des Internets Profile und Leistungen öffentlich machen und vermitteln will, kommt um das Thema nicht herum. Selbstverständlich, möchte man sagen, steht am Anfang notwendigerweise eine sprachliche Form, eine Aussage, eine Absichtserklärung, ein wie auch immer gefasster Inhalt. Dieser Inhalt ist mit den Gedanken der Beteiligten eng verknüpft. Wenn diese Verknüpfung betont werden soll, spricht man von Konzepten und meint die wortsprachliche Ausformulierung der Gedanken im Hinblick auf ein Projektziel. Wenn die inhaltlichen Ergebnisformen im Zentrum stehen, ist die Rede von Texten und präsentativen Formen wie z. B. Fotos und Grafiken. Das englische Wort „Content“ ist geeignet, diese Einheit treffend zu bezeichnen, denn je nach Projektabschnitt und Aufmerksamkeitsschwerpunkt können textliche oder präsentative Inhalte im Vordergrund stehen. Beide sind Ausformungen, wahrnehmbare und vermittelbare Umsetzungen innerer Handlungen und Motive. In dieser Einheit dominiert das wortsprachliche Element, denn unser Denken manifestiert sich zumeist in der Wortsprache und präsentative, z. B. in Bilder gegossene Gedanken sind im Projektrahmen erklärungsbedürftig, müssen zwischen Auftraggeber und Kreativen begründet und verstanden werden, was ohne Wortsprache nicht möglich ist. Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass ein Interesse an Content, die Aufmerksamkeit darauf, die Bereitschaft zum aktiven Austausch über Gedanken und Motive sowie die Koordination der Ergebnisse für jedes Internetprojekt ebenso konstitutiv ist wie für Projekte, die überwiegend über gedruckte Medien gesteuert werden. Sobald wir das Internet als Medium wählen, wird es in Zukunft aber immer wichtiger werden, den Content als Basis zu erkennen und die Arbeitsabläufe auf diese Erkenntnis hin auszurichten. Denn tatsächlich herrscht in diesem Feld viel Unkenntnis, kursieren vielfältige Missverständnisse über das Medium Internet, den Charakter von Internetprojekten, die Aufgaben von Entwicklern und die Qualitätskriterien gelungener Umsetzungen.
Wenn Agenturen und Freelancer für ihre kreativen Leistungen bei Internetprojekten werben, gebrauchen sie am häufigsten die Bezeichnung Webdesign. Das hat einen einfachen Grund: Das Wort hat sich als Sammelbegriff durchgesetzt und wird von den meisten potenziellen Auftraggebern bei Suchanfragen bzw. zur Bezeichnung ihres Leistungsbedarfs verwendet. Insofern erfüllt es die Funktion, Anbieter und Nachfrager zusammenzubringen. Allerdings mit fatalen Folgen, denn das Wort suggeriert eine Bedeutung, die es in der aktuellen Praxis nicht hat, u. a. weil es viel zu eng gefasst ist. Anders als der Wortbestandteil „design“ vermuten lässt, sind moderne Webprojekte komplex, umfassen vielfältige, miteinander verwobene Leistungen aus den Bereichen Content-Entwicklung, Design, Programmierung, Social Media Marketing und Suchmaschinenoptimierung. Entsprechend breite Kenntnisse und Erfahrungen sind auf Seiten der Anbieter von Nöten, unabhängig davon, ob Einzelspezialisten die übrigen Bereiche mit abdecken oder Agenturen Einzelaufgaben auf ein Team aus Spezialisten verteilen. Design ist demnach nur ein Bestandteil, der keine Dominanz beanspruchen kann. Das Gestalten fürs Internet ist zudem einem starken Wandel unterworfen, der die Grenzen der Leistungsbereiche verwischt und das Webdesign mehr denn je vom Printdesign abgrenzt. Spätestens seitdem sich die modernen Formen des Responsive Webdesigns durchgesetzt haben, sind nämlich im Entwicklungs- und Gestaltungsprozess von Webprojekten die genannten Bereiche Programmierung, Design und Content-Entwicklung nicht mehr voneinander zu trennen. Das Gestalten erfolgt dabei direkt im Wechselspiel von Codierung und Browseransicht, der Code selbst ist „semantisch“, d. h. inhaltlich bedeutungsvoll geworden, die Formulierung und Platzierung wortsprachlicher Inhaltselemente orientiert sich im Sinne optimierter Suchmaschinenwirkung an Best Practices, die nicht selten im Quellcode verortet werden. Alle Leistungsbereiche bedingen und beeinflussen sich wechselseitig. Eine Einheit, in der sich der Begriff des Webdesigns mit Bedeutungen anfüllt, die zum immer noch so häufig gebrachten Wort nicht mehr passen.
Content steht also notwendig am Anfang, denn ohne Inhalt keine Ausformung, ohne Form keine Wahrnehmung und Vermittlung. Dabei sind zwei Aspekte ganz entscheidend:
1 Da medienspezifische Inhalte benötigt werden, sind sie in den seltensten Fällen bereits vorhanden, müssen also auf das Projekt bezogen erst entwickelt werden.
2 Mit der Schlüsselrolle des Contents sind bestimmte Reihenfolgen naheliegend, deren Umkehrung zu erheblichen Verzögerungen der Abstimmung, unnötigen Wiederholungen und zeitlichen Verlusten führen kann.
„Content First !“ ist eine Forderung mit Weitblick, die den gesamten Projektprozess im Blick hat, und zwar vor dem Hintergrund der globalen Entwicklung der Internet-Kommunikation an sich. Es ist deshalb gerade im Anfangsstadium einer Projektentwicklung wichtig, dass Projektentwickler vorhandene Informationen sammeln, sichten und zusammen mit Auftraggebern projekt- und medienspezifische Inhalte als erstes Etappenziel definieren. Dies bedeutet zwangsläufig Austausch, Koordination und vor allem Mitarbeit der Auftraggeber bei der Entwicklung der Inhalte. Es bedeutet auch, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass aufbauende Prozessschritte nicht vorgezogen werden können, wenn Sinngehalt, Ergebnisqualität und Zeitbudget nicht überstrapaziert werden sollen. Ein leider immer noch häufig praktiziertes Beispiel einer Umkehrung, die Inhalte als Nebensache einstuft und damit den Erfolg des Gesamtprojekts in Frage stellt, ist diese: Design entwickeln » programmiertechnisch umsetzen » Inhalte einfließen lassen. Wer so vorgeht, verkennt vollkommen die Bedeutung eines projektbezogenen Sinngehalts, der in der Form / im Design zum Ausdruck kommen muss, was voraussetzt, dass Sinn vorab ausformuliert wurde und umgekehrt in die Formfindung einfließt. Auch die Codierung setzt dabei Grundentscheidungen voraus, die Teil der Inhaltsdefinition sind und die eine vernünftige Ausstattung mit Funktionen erst ermöglicht. Das Beispiel der unvorteilhaften Umkehrung zeigt deutlich, dass „Content First !“ ein Muss für vernunftgesteuertes Arbeiten im Medium des Internet darstellt.
Die Besonderheiten des Mediums Internet sind nach wie vor vielen Nachfragern nicht bewusst. Ein Umstand, der im Widerspruch zu der weiter wachsenden Verbreitung und intensiven Verwendung internetfähiger Geräte und der zunehmend willkommenen Nutzung des Mediums zu Informations-, Recherche- und Unterhaltungszwecken steht. Es herrschen vielfach Vorstellungen, die im Internet transportierte Darstellungsformen als bloße digitale Pendants zu gedruckten Medien gleichen Inhalts auffassen. Dagegen erfordern gerade responsive Webdarstellungen ganz eigene, vom Printmedium stark unterschiedene Layout- und Designformen, positionieren grafische Elemente in medienspezifischer Weise, dimensionieren und differenzieren Textinhalte so, dass sie bei unterschiedlichen Bildschirmgrößen und dem von Ungeduld und Zeitmangel geprägten Verhalten von PC- und Mobilgeräte-Nutzern besser wahrgenommen bzw. überhaupt beachtet werden. Tatsächlich sind Bilder und Texte im modernen Internet andere und notwendigerweise auch anders zueinander in Beziehung gesetzt. Das setzt medienspezifische Kenntnisse der Entwickler und deutlich unterschiedene Entwicklungsschritte voraus, wenn z. B. gleiche Inhalte im Print- und Online-Bereich parallel zum Gegenstand gemacht werden. Diese Besonderheiten gelten schon für die mediale Umsetzung einer Profildarstellung oder einer Kampagne an sich. Spätestens dann aber, wenn es um das Konkurrieren um Aufmerksamkeit in den Suchmaschinen geht, wird der hohe Stellenwert eines fürs Internet spezifischen Umgangs mit Inhalten überdeutlich. Denn die Suchalgorithmen der großen Suchmaschinen folgen einer inhaltlichen und hierin vor allem einer wortsprachlichen Logik bzw. richten ihre Filterkriterien vornehmlich an Textinhalten aus. Wer einen nicht nur benutzerfreundlichen und modern gestalteten Webauftritt will, sondern auch möglichst viele potenzielle Interessenten in die Richtung dieses Auftritts lenken möchte, benötigt dringend die richtigen Textinhalte. Die unterscheiden sich zwischen solchen, die auf der Oberfläche des Auftritts erscheinen, eben den für jedermann lesbaren Text, und den im Metatag-Bereich des Quellcodes verorteten, gewöhnlich nur von den Suchrobots erfassten Textelementen. Es ist eine ständigen Veränderungen unterworfene Kunst, die Oberflächen- und Quelltextoptimierung in den Dienst einer optimalen Aufmerksamkeitslenkung zu stellen. Zweifellos eine Aufgabe für SEO-Spezialisten (SEO steht für Search Engine Optimization) und eine, die auf Seiten der Auftraggeber ein neues Bewusstsein für die zentrale Rolle medien- und projektspezifischer Inhalte erfordert. Denn gute SEO-Kampagnen setzen auch einen intensiven Austausch über Selbstbeschreibungen der Auftraggeber, Projektziele und vorgestellte Zielgruppenansprache voraus.
Häufig lässt die Art, in der Profile und Leistungen im Internet vorgestellt und über das Medium vermittelt werden, die geforderte Dominanz von Inhalten vermissen. Das ist mit Qualitätsverlusten bei der damit gesteuerten Kommunikation verbunden und lässt die Erwartungen an das Erreichen individueller Ziele bescheiden werden. An zwei Beispielen lässt sich das sehr gut beobachten:
1 Von großen Anbietern, z. B. Webhosts, offerierte Do-it-yourself-Lösungen zum rasend schnellen Einrichten von Webauftritten für Nicht-Profis verschieben die Aufgabe der Inhaltsentwicklung auf die Seite ihrer Kunden. In diesen wie Baukästen aufgebauten Systemen werden modular vorgefertigte Layout- und Designelemente zur Verfügung gestellt, ebenso optional nutzbare Funktionen. Oft sind diese Vorlagen schon branchenspezifisch vorkonfiguriert, immer mit dem Hinweis darauf, dass es Laien ein Leichtes sei, in sehr kurzer Zeit ihr eigenes Webprojekt zu basteln, branchenbezogene Textvorlagen als Grundlage für den eigenen Textinhalt inklusive. Bei näherer Betrachtung zeigt sich aber sehr schnell, dass diese Pauschalvorlagen dem eigenen Bedarf nicht entsprechen und vielfältiger Anpassung bedürfen, die sehr rasch an die Grenzen des Vorgegebenen stoßen. Wer solche Tools nutzen möchte, fühlt sich auf die eigene Selbstbeschreibung zurückgeworfen, sieht sich in der Pflicht, nun eben doch zunächst einmal die eigenen Ziele zu formulieren, eine wirklich passende Gliederung / Navigationsstruktur zu entwickeln, die Unternehmens- und Produktdaten so aufzubereiten, dass sie vermittelbar und verständlich werden. Leistungen, die professionelle medienspezifische Erfahrung erfordern und damit die eigenen Möglichkeiten meist überfordern. Hinzu kommt, dass spätestens im Vergleich zu extern entwickelten Projekten der Mangel an Individualität und gestalterischer sowie inhaltlicher Qualität offensichtlich werden.
2 Social Media Profile laden per definitionem zum selbständigen Einstellen von Inhalten ein. Anders als bei Baukastensystemen für Websites ist der gestalterische und funktionelle Rahmen sehr genau vorgegeben und nur in engen Grenzen konfigurierbar. Das Besondere liegt gerade in der Interaktion mittels Content, der selbst erstellt und veröffentlicht wird. Gerade in der Chance, eigene Anliegen im festen Rahmen einem größeren Publikum näher zu bringen, interaktive Funktionen zu nutzen und wie auch immer ausgerichtete soziale Gemeinschaften in der Logik dieser Systeme zu bilden, ist das Eigentümliche und für viele Faszinierende an dieser offenen Form von Internet-Kommunikation. Eigentlich könnten Inhalte in diesem Rahmen die dominante Rolle spielen, die man außerhalb von Social Media für viele Webprojekte erst einfordern muss. Tatsächlich gelingt das aber nur in sehr begrenztem Umfang. Die Entwicklung der sozialen Internetmedien hat zwar bei den großen Plattformen zu einem gewaltigen Zuwachs an Nutzern geführt. Die Qualität der Beiträge in nicht persönlichen Profilen, ihre Eignung zum themenspezifischen Austausch, zur Präsentation und Verbreitung von Inhalten insbesondere von Unternehmen oder Organisationen hinkt aber zunehmend der Erwartung hinterher. Elliptische Ein-Satz-Formulierungen, die Nutzung inhaltsleerer Funktionen zur Stellungnahme, schlecht rhythmisierte und inhaltlich unpassende Beiträge zeugen von einem verbreiteten Unvermögen, professionelle Anliegen in diesen Medien vorzutragen, Mitteilenswertes überhaupt zu (er)finden und auszuformulieren und das avisierte Publikum damit anzuziehen. Die Folge sind zahlreiche verwaiste und kaum beachtete Profile ohne jede oder gar mit negativer Strahlkraft. Die Ursache auch hier: Die universelle Zugänglichkeit und ständige Verfügbarkeit gleicher Interaktionsgrundlagen erspart niemals die inhaltliche Basisarbeit, die Umsetzung von Gedanken, Motiven und Wünschen in sprachliche Formen, die den eigenen Inhalt ebenso im Blick haben wie das Publikum und seine Bedürfnisse. Eine Kunst, die durch die bloße Nutzung von Social Media offenbar nicht erlernt werden kann und letztlich doch professioneller Unterstützung bedarf.
Gerade diese Formen eng begrenzter Artikulation machen deutlich, welche Möglichkeiten sich mit individuellen, professionell unterstützten Webprojekten bieten, welche die Maxime „Content First !“ als Leitlinie verwenden. In solchen Projekten und mit der richtigen Basis und Prozessreihenfolge im Blick ist inhaltliche Detailarbeit erst realisierbar, die Form, Technik, Inhalt und Interaktion zu einer stimmigen Einheit verschmelzen lassen. Eine Einheit, die nicht schon vorhanden, die vielmehr projektbezogen erarbeitet werden muss. Es lohnt sich, diesen Zusammenhang zu Beginn eines Projekts zum zentralen Thema zu machen. So gerüstet können Darstellungsformen fürs Internet entstehen, die als überzeugende Umsetzungen von Ansichten, Absichten und Wünschen der Herausgeber wahrgenommen werden. In so entwickelten Formen sind alle wahrnehmbaren Elemente in der Weise aufeinander bezogen, dass Rezipienten sie als transparent, aussagekräftig, authentisch und motivierend verstehen. Die beste Voraussetzung für erkennbare Abgrenzung, mehr Aufmerksamkeit und den Erfolg der Webprojekte. Und eine Chance, auf anspruchsvoller Basis die Zukunft des Internets als Kommunikationsmedium mitzugestalten.
© Bernhard Lux / LinieLux – Kommunikation
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