Sie packen den gesamten Inhalt eines Internetauftritts in nur eine Seite. Und sind doch alles andere als einsei-tig. Gut gemachte One-Page-Websites dimensionieren ihren Inhalt sparsam und gliedern ihn benutzer- und zielgruppenorientiert. So können sie dennoch alle für die Kommunikation wichtigen Inhaltselemente einschließen und zugänglich machen. Wenn der Besuch einer One-Page-Site bisweilen amüsiertes Schmunzeln hervorruft, dann weil man die jahrelange Gewohnheit in verblüffender Einfachheit aufgelöst findet. Denn hier bewegen wir uns beim Surfen eben nicht in dem gewohnten und zunächst erwarteten Netz miteinander verlinkter einzelner Webseiten, die zusammen die Website ausmachen. Beim Anklicken eines Menüpunktes oder eines Links springen wir nicht auf eine neue Seite, die den gewünschten Inhalt wiedergibt. Vielmehr bilden Website und (die einzige) Webseite eine Einheit. Es ist wie das Lesen eines langen oder auch breiten Informationsblattes, das alle Information schon enthält. Im Grunde genommen ist es immer möglich, alle mitzuteilenden Inhalte auf eine Seite zu stellen. Die wird dann allerdings sehr lang – und nahezu unlesbar. Verstehen wir ein Webangebot als spezifisches Mittel, Kommunikationen übers Internet zu ermöglichen und zielorientiert zu steuern, sind größere Anstrengungen notwendig. Die betreffen den Inhalt ebenso wie das Design und die technische Umsetzung. Alle Elemente müssen gerade bei dieser Form in ein stimmiges Verhältnis zueinander gesetzt werden. Gelingt dies, lassen sich attraktive und unkonventionell wirkende Ergebnisse erzielen. Im Einzelnen:
Eine tendenziell reduzierte Ausgestaltung der Inhalte ist bei One-Page eigentlich ein Muss. Es geht darum, die Dinge auf den Punkt zu bringen. So kann dennoch alles Wichtige angesprochen werden. Das ist eine unaus-weichliche Vorgabe für den Textentwickler, setzt den Einsatzmöglichkeiten für One-Page aber auch Grenzen. Denn für allzu differenzierte Inhalte, die mehrfach hierarchisierte Gliederungsebenen erfordern, eignet sich diese Darstellungsform nicht. Der Leser würde leicht den Überblick verlieren, die Ladezeit der Seite wäre u. U. zu lang sein, die Navigation zu unübersichtlich. So findet man One-Page-Sites auch besonders häufig bei kurzen Persönlichkeits- und Unternehmensprofilen, gerade von Agenturen, Portfolios oder speziellen Eventbe-schreibungen. Bei Inhalten, die jene Reduzierung erlauben, und bei Herausgebern, die sie sich erlauben. The-matisch allerdings ist nahezu alles möglich. Wenn eine oft spielerisch wirkende Scroll-Navigation in Bezug auf das Seitenthema unpassend erscheint, stehen auch nicht-animierte Navigationsmöglichkeiten zur Verfügung. Sind die Aufgaben bei der Entwicklung einer One-Page-Site verteilt, ist in jedem Fall auf eine enge Koordination zwischen Texter, Webdesigner und Programmierer zu achten. Hier kommt der Textgrundlage für die Lesbarkeit und Wahrnehmungsqualität der Seite ganz besondere Bedeutung zu.
Layout und Design einer One-Page-Site sehen sich der Herausforderung gegenüber, die Inhalte in lesbare Formen zu gießen, die eine leichte Orientierung ermöglichen. Denn die kompaktere Darstellungsform macht keinen Sinn und kann ihre Stärken nicht entfalten, wenn sie dem Besucher zu viel Eigenleistung abverlangt. Es gilt den Inhalt zu untergliedern und mit Hilfe von Abschnitten, Headlines, illustrativen und grafischen Elemen-ten sowie Funktionselementen eine Differenzierung zu ermöglichen. Dies kann sehr unterschiedlich aussehen, z. B. ganz klassisch, indem eine typische Webseitenaufteilung von Header, Inhaltsbereich und Footer je nach Gliederung mehrfach unter- oder nebeneinander gesetzt wird. Mehrere sonst gesondert angelegte Seiten werden dann einfach in einer zusammengefasst. Das Ergebnis ist ein ausgedehntes Dokument, dessen einzelne Inhalte über ein Menü angesteuert werden können. Man springt dann zu einer bestimmten Position innerhalb des Dokuments, wechselt aber nicht auf eine andere Seite. Die Menüs können dabei fixiert sein und nur einmal auf der Seite vorkommen. Sie können sich aber auch in jedem Inhaltsabschnitt wiederholen. Ist der gesamte Seiteninhalt über den Scrollbalken des Browsers erreichbar, kann die Navigation in Verbindung mit einer Scroll-Anweisung besonders attraktiv wirken. Das Scrollen läuft dann beim Anwählen eines internen Menülinks auto-matisch ab. Alles, was dazwischen liegt, „rauscht“ am Betrachter vorbei. Eine starke Anregung, die übrigen Inhalte der Seite zu erkunden. Eine andere Möglichkeit ist, in jeder Ansicht bestimmte Inhalte des Dokuments auszublenden. Dann macht die One-Page-Konstruktion zunächst den gleichen Eindruck wie eine mehrseitige Website. Wird hierbei aber eine Scroll-Funktion zum Einsatz gebracht, wird dem Nutzer bewusst, dass da noch mehr ist, als er im Moment gerade sehen kann. Er nimmt den Inhalt wie durch eine Lochmaske wahr, hinter der die Seiteninhalte vertikal, horizontal oder auch diagonal (wie bei linielux.com) in Bewegung geraten, um einen neuen Seiteninhalt sichtbar zu machen. Gerade dies gehört sicherlich zu den reizvollsten Einsatzmöglichkeiten der Technik mit Erlebnisqualität.
In der reduzierten Form eines langen einseitigen Webdokuments ist One-Page auch mit den Basismitteln der Webseitenproduktion umsetzbar: html und CSS. Hier liegt dann die Herausforderung vor allem in der inhaltli-chen und gestalterischen Fassung. Animierte Navigation aber erfordert den zusätzlichen Einsatz von Ja-vaScript. Die Skriptsprache bzw. das auf JavaScript aufbauende Framework jQuery haben in den vergangenen Jahren einen Siegeszug angetreten und bereichern immer mehr Websites mit neuer Funktionalität. Denn mit Hilfe von JavaScript lassen sich attraktive Effekte, wie das genannte automatische Scrollen erzielen. Eine wichtige Voraussetzung, um die Seite mit einer spielerischen Komponente auszustatten, die nicht selten an die Funktionsweise und Anmutung einer Flash-Animation erinnert. So gestaltet sich die One-Page-Site im Hinter-grund als raffinierte Konstruktion, die neueste Webtechniken nutzt. An der Oberfläche aber besticht sie durch Übersichtlichkeit und Reduktion auf Wesentliches. Vielleicht ist es diese Verbindung, welche ihre Faszination ausmacht.
© Bernhard Lux / LinieLux – Kommunikation
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