Nein, dies ist keine DIY-Anleitung für den schnellen und unkomplizierten Aufbau einer Website, für die diverse Baukastensysteme werben. Und nein, Webdesign ist alles andere als einfach, wodurch sich Instant-Lösungen als untaugliche Mogelpackungen erweisen – spätestens nach dem ersten Versuch, sie für die Umsetzung konkurrenzfähiger Lösungen zu nutzen. Es ist vielmehr eine allgegenwärtige Erfahrung, dass das Bewusstsein von Komplexität unser Leben und die Entwicklung in Teilsystemen der Gesellschaft wesentlich prägt. Dieses Bewusstsein durchzieht alle Lebensbereiche, insbesondere auch im Zusammenhang mit der Nutzung digitaler Hilfsmittel und Medien. Wir sehen die Welt, die sozialen Beziehungen und kulturellen Wahrnehmungs- und Darstellungsformen, die eigene psychische Verfasstheit als zunehmend vielschichtig, verzweigt, veränderlich und nicht immer steuerbar. Das bewirkt Verunsicherung, verstärkt Befürchtungen, vor allem die, den Überblick bei einem Überangebot an Informationen zu verlieren, provoziert Ruhelosigkeit, lässt den Orientierungssinn ins Wanken geraten. Umso mehr wächst das Bedürfnis nach Reduktion dieser Komplexität in einer möglichst verlustfreien Form. Denn dass Komplexität für die moderne Gesellschaft konstitutiv ist und dass sie einen Sinn hat, wird niemand bestreiten. Wenn die Erwartung aber in Richtung einer Reduktion geht, möchte man Formen begegnen, welche die Verarbeitung von Sinneseindrücken und die kognitiven Kapazitäten nicht überfordern, ohne Wesentliches dabei zu kürzen. Wenn Komplexität und deren Reduktion in der Entwicklung von Internetauftritten zum Thema gemacht wird, gerät sie vor allem als Herausforderung in den Blick, die am Produktionsprozess ansetzt und auf die optimierte Rezeption durch Seitenbenutzer abzielt.
Für alle, die Medien zu ihrer Information nutzen, ist es eine der kompromisslosesten Erwartungen, dass die Nutzung dieser Medien sowie die Darstellung und Vermittlung von Inhalten möglichst einfach sein sollen. Einfachheit in der Nutzung ist vor allem bei digitalen Medienträgern ein häufiges Thema und auch ein wichtiges Auswahlkriterium. Je geringer die Hürden zur Handhabung z. B. eines internetfähigen Mobilgerätes sind, desto leichter fällt die Orientierung, desto mehr Zeit bleibt für die Aufnahme und Verarbeitung des Inhalts. Natürlich wird dadurch auch die Verbreitung des Medienträgers z. B. über die Altersgruppierungen hinweg beeinflusst. Diese Erwartung dehnt sich aber automatisch auf die nutzbaren Inhalte selbst aus. Geradezu ständige Zugänglichkeit dieser Inhalte v. a. übers Internet, ein riesiges Angebot an Inhalten, in dem sich Nutzer zurechtfinden müssen, eine Fülle von konkurrierenden Informationen und alternativen Quellen zu einem bestimmten Thema: Diese Konstellationen vermitteln den Eindruck von Komplexität, schwerer Überschaubarkeit und Vielschichtigkeit, so dass ein Sortieren, Ausfiltern und Selektieren der Informationsbestandteile unvermeidlich scheint. Inhaltliche Angebote, die Nutzern einen Teil dieser Leistung bereits abnehmen, indem sie reduzieren, vereinfachen und damit die Informationsverarbeitung zumindest beschleunigen, oft aber überhaupt erst möglich machen, sind in dieser Situation von Vorteil und werden vorgezogen. Einfachheit und Reduktion sind aber auch eine ständige Herausforderung für Nutzer wie Produzenten gleichermaßen. Nutzer benötigen verstärkte Aufklärung über Funktionsweisen, Besonderheiten und Stellenwert digitaler Medien, um die Spreu vom Weizen im weiten Feld reduzierter Inhalte trennen zu können. Denn das Qualitätsmerkmal dafür ist immer, dass die Einfachheit nicht in Inhaltslosigkeit oder Vereinseitigung ausartet, dass die Essenz der Information nicht verloren geht und auch, dass sie nicht für partikuläre Interessen missbraucht wird, in dem sie „alternative Fakten“ schafft. Für Produzenten bedeutet dies ein hohes Maß an Verantwortung und Selbstkontrolle. Reduktion und Einfachheit ist aus Produzentensicht deshalb das Ergebnis eines sorgfältigen Entwicklungsprozesses, an dessen Ende die Anmutung des Einfachen steht. Was sich zunächst komplex darstellt, muss in Bezug auf Umfang, Reichweite und interne Differenzierung erfasst und benutzerfreundlich und zielorientiert rekonstruiert werden. Diese reduzierende Rekonstruktion der Inhalte stellt im modernen Webdesign die Königsdisziplin dar.
Aus dem Gesagten ergibt sich eine Reihenfolge für den Prozess der Webentwicklung, die nicht umkehrbar oder veränderbar ist. Im Ergebnis soll die einfache Form komplexe Tiefe erkennen lassen. Denn Seitenbetreiber möchten ihre Inhalte möglichst barrierefrei vermitteln, ohne sie zu verfälschen. Das stellt besondere Anforderungen an die Erfassung und die Aufbereitung des Inhalts, die notwendig am Anfang stehen muss. Erst auf der Grundlage eines schlüssigen Inhaltskonzepts und eines konkret ausformulierten Inhalts kann die Formfindung im Webdesign zielführend sein und erst der passgenau in Formen umgesetzte Inhalt kann angemessen für die Darstellung im Internet kodiert werden. Für den Vergleich und die Einschätzung eines Internetauftritts ist dies das wesentliche Qualitätsmerkmal, zumal auch externe Kriterien etwa der Suchmaschinenoptimierung an Inhalten orientiert sind. Wie eine optimierte Content-Entwicklung aussieht, hängt sehr von der Art des Projekts ab, z. B. ob eher Produkte oder Dienstleistungen vorgestellt werden sollen, um welche Branche es sich handelt, ob End- oder Geschäftskunden primär angesprochen werden sollen.
Aus diesen Beispielen für konkrete Mittel zur Reduktion von inhaltlicher Komplexität ist erkennbar, warum Inhalte notwendig am Anfang der Bemühungen stehen müssen. Denn die Beispiele aus den Bereichen Layout und Grafik stellen diese Verbindung bereits her: Der Inhalt ist hier selbst schon Teil der Gestaltung. Die Entscheidung für ein bestimmtes Gestaltungsmittel ist aber ohne das vorgängige Inhaltskonzept nicht vorstellbar. Es wäre ansonsten, als ob man einer rein ästhetischen Kriterien verpflichteten Designvorstellung folgt und den Inhalt im Nachhinein in diesen Rahmen setzt. Das aber kann nur zu Brüchen, Verwirrungen und Widersprüchen führen. Erst recht gilt dies für den Prozess der Kodierung, der eine technische Umsetzung vorgängig erstellter und in Form gebrachter Inhalte darstellt. Währen die richtige Reihenfolge wichtig ist, muss man im modernen Webdesign dennoch von einer wechselseitigen Durchdringung der Ebenen ausgehen. Auch die Kodierung ist „semantisch“, insofern es zu den Forderungen etwa der Basistechnologie HTML5 gehört, inhaltliche Zuordnung und Differenzierung in der Wahl der verwendeten Tags zu berücksichtigen. Der Code gibt insofern auch strukturell den Inhalt wieder, der dann aber schon erarbeitet worden sein muss.
Bei den Herausforderungen, die das Internet, die veränderten Gewohnheiten in der Mediennutzung und die überfordernde Informationsvielfalt und Reizüberflutung mit sich bringen, geht es letztlich darum, ein Gleichgewicht herzustellen: Zum Beispiel ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Inhalt und Form, zwischen erwartbarer Rezeptionsdauer und Informationsangebot, zwischen griffiger Akzentuierung und ausführlicher Darstellung. Denn es ist das, was wir als schön und ansprechend auffassen, was uns zu weiteren Reaktionen Anlass gibt, z. B. uns auf der Website navigierend zu bewegen, uns weiter zu informieren, etwas anzufragen, zu bestellen u. s. w. Reduktion auf verstehbare Formen bei gleichzeitiger Integration komplexer inhaltlicher Bezüge ist die große Herausforderung. Wenn das Ergebnis einfach und klar wirkt, subjektiv verständlich und ansprechend ist und zudem die Aussageabsichten des Auftraggebers erkennbar transportiert, ist das Ziel erreicht.
Dieses Ziel kann nur in enger Zusammenarbeit und im Austausch zwischen Auftraggebern und Webentwicklern optimiert werden. Die Forderungen moderner Auftritte im Internet bieten die Chance, gemeinsam klare Inhaltskonzepte für das Projekt zu erarbeiten, die Grundlage für eine gewinnbringende Darstellung und Vermittlung im Internet darstellen. Von Vorteil ist dabei eine möglichst vorurteilslose Herangehensweise, die einen weiten Horizont aufspannt und scheuklappenartige Betrachtungen vermeidet. Mit der Notwendigkeit, komplexe Zusammenhänge in der eigenen Arbeit auf wichtige und verstehbare Einheiten zu reduzieren, werden Auftraggeber so zunächst auf die Spur der Selbstbeobachtung geführt. Die eingängige Arbeit an den Inhalten fordert diese Anstrengung, das eigene Projekt, das eigene Geschäft zu reflektieren. Die Ergebnisse dieser Reflexion sind für die weitere Entwicklung nutzbar, um u. U. erstmals eine Beschreibung zu geben, daraus Leistungsdefinitionen, Profildarstellungen und Zukunftsperspektiven abzuleiten. Je bewusster und klarer der Prozess vorangetrieben wird, desto besser gelingt es, Komplexität ohne Qualitätsverlust oder Vereinseitigung so zu reduzieren, dass die Selbstbeschreibung nachhaltig wird und zu einem Bestandteil der langfristigen Unternehmensentwicklung auch außerhalb des Internets werden kann. Die Klarheit des inhaltlichen Konzepts resultiert in jener Einfachheit, die wir uns für den Webauftritt und seine Wahrnehmung wünschen. So wird Kommunikation zwischen Betreibern und Rezipienten von Websites auf dem Umweg über die rekonstruierende Arbeit an vermittlungsfähigen Inhalten auf ein professionelles Niveau gehoben.
Nein – Webdesign ist nicht einfach, nur gut gemacht kann es komplexe Inhalte im Internet so vermitteln, dass sie klar, wie selbstverständlich aufgenommen werden und gerichtete Wirkung entfalten.
© Bernhard Lux / LinieLux – Kommunikation
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